Liebe Sonia, liebe Carla, stellt euch bzw. eure Ensembles bitte kurz vor.

Sonia Franken: Unter dem Label EL CUCO PROJEKT erforsche ich seit 2015 gemeinsam mit dem bildenden Künstler Gonzalo Barahona künstlerisch die widersprüchliche Beziehung von Menschen zur Natur. Wir arbeiten im Bereich Tanz mit unterschiedlichen Repräsentationsformen, wie Tanz, Performance, Maske, Skulptur, Malerei, Miniatur-Modelle, Video und (live)Animation(sfilm). Seit 2017 hat Carla als outside-eye und nun für SCREAM!NG MATTER erstmalig als Performerin mit uns gearbeitet.

Carla Jordão: Ich bin Choreografin und Tänzerin. Das Stück „A universal weakness “ ist in kollaborativer Zusammenarbeit zwischen mir und der Almada Dance Company, die ihren Sitz in Portugal hat, entstanden. Wir haben damit gerade den Kölner Tanztheaterpreis 2019 gewonnen, was mich sehr freut!

Wie lange seid ihr jeweils schon bei Barnes Crossing dabei?

Carla Jordão: Seit 2017. Gerade wurde ich in den Vorstand gewählt.

Sonia Franken: Als Mitglied bin ich seit 2007 dabei, und seit 2 Jahren im Vorstand, neuerdings als Vorstandsvorsitzende.

Welche Bedeutung hat Barnes Crossing für euch und eure Arbeit?

Carla Jordão: Barnes Crossing und das künstlerische Team waren wichtige Unterstützer meiner eigenen künstlerischen Arbeit. Es ist für mich als Choreografin und als Performerin ein sehr inspirierender Ort zum Kreieren, Recherchieren und Performen.

Sonia Franken: Ich habe zu Beginn an diesem Ort die künstlerische Leitung der Jugendprojekte inne gehabt. Dadurch habe ich zum einen meine Vermittlungstätigkeit in einem künstlerischen Feld umgesetzt – zum Anderen habe ich die diversen ästhetischen Arbeiten meiner KollegInnen kennengelernt, dadurch, dass ich sie mit Kindern und Jugendlichen in ihren Proben besucht habe. Ich erfahre hier einen künstlerischen Austausch, aber auch einen solidarischen, kollegialen in der Gruppe. Es gibt natürlich auch Schwierigkeiten in so einer großen Gruppe- im Moment sind wir 14 (!)– wichtig ist, das wir gemeinsam dran bleiben und gemeinsam neue Wege gehen. Künstlerische und strukturelle.

Bitte beschreibt kurz das Stück bzw. die Performance, die ihr zuletzt bei Barnes Crossing gezeigt habt:

Sonia Franken: Aufbauend auf die Duo-Arbeiten der vorangegangenen Arbeiten mit Gonzalo Barahona ist in der neuen choreographischen Reihe SCREAM!NG MATTER erstmals ein größeres Team (u.a. mit Carla Jordao) auf der Bühne zu sehen. Es gibt auch neue Masken: Eidechsenköpfe. Unsere Charaktere sind immer Gestalten zwischen Tier und Mensch, sie besitzen plurale Zustände. Unser Ziel ist eine tänzerische Bewegungssprache zu entwickeln, die Körper in Bewegung generiert, welche zugleich, das Potential einer Gestalt, Figur, Skulptur, Malerei und Cartoon inne haben. Damit schaffen wir Abstand um auf uns Menschen und unser Tun neu schauen zu können. Derzeit sind wir sehr betroffen von der Situation in Chile: Menschen verschwinden wieder, wie zur Zeiten der Pinochet Diktatur, sie werden aus ihren Häusern entführt. Es gibt extreme Polizeigewalt und Folteropfer. Human rights watch versucht vor Ort Beweise zu sichern. Auch sexualisierte Gewalt ist an der Tagesordnung und wird systematisch eingesetzt. Der Unterschied zu den 70er Jahren ist, dass wir alles live mitverfolgen können. Dank der Digitalisierung. Wir versuchen künstlerisch der Frage nachzugehen, was das mit uns macht.

Carla Jordão: „A universal weakness “ beschäftigt sich mit dem Optimierungswahn, der unsere Gesellschaft auf Kurs hält. Ich habe mich für das Stück von den lächelnden Massen in der Malerei des Künstlers Yue Minjun inspirieren lassen. Zwei Tänzer performen 40 Minuten lang mit demselben schablonisierten Gesichtsausdruck – wie drücken sich währenddessen emotionale Stress- und Druckmomente und vermutlich aufkommenden Schmerzmomente im Gesicht und körperlich aus? Welche Stimmung wird entstehen, wenn das Lächeln auf der Bühne zur Norm erhoben wird? Wenn unser unwillkürliches Lächeln auf ein willkürliches, kulturell erzwungenes festgefrorenes Lächeln trifft?

Ihr kennt euch schon länger und habt bereits miteinander gearbeitet. Gibt es Übereinstimmungen oder besondere/spannende Gegensätze in eurer künstlerischen Arbeit?

Carla Jordão: Ich arbeite seit 2017 mit El Cuco Projekt zusammen, das eine künstlerische Arbeit hat, mit der ich mich persönlich stark identifiziere und die mich sehr interessiert. Es ist mir eine Freude, einen Abend mit der Vorschau auf ihr nächstes Werk „Scream!ng Matter“ zu teilen. Ich denke, die Zuschauer werden in beiden Stücken eine Szene finden, die sie in Beziehung setzen können!

Sonia Franken: Ich denke unsere Arbeiten verfolgen recht unterschiedliche ästhetische Ansätze und in dieser Andersartigkeit verbindet uns der starke Fokus auf den Körper, auf Bilder und das Arbeiten mit dem Menschen. In den Proben sprechen wir oft dieselbe Sprache, sehen ähnliche Absurditäten im Alltag und die Tragik oder auch den Humor darin.

Vielen Dank für das Interview!

oben: Carla Jordão „A universal weakness“ und „Needless, Needles” © Alessandro De Matteis, Robert Helming unten: El Cuco Projekt © Julia Franken